Studium-und-Forschung-an-der-Harvard-Universitaet (2024)

Dr. Karsten Lunze

Die Harvard Universität genießt nicht nur traditionell einen weltweit exzellenten Ruf, sie liegt auch seit Jahren auf Platz 1 der jährlich von der Jioa Tong Universität von Shanghai herausgegebenen weltweiten Rangliste der Unis. Sie gehört zum Kern der Ivy-League, der acht besten Hochschulen der USA.

An der Harvard Medical School, der medizinischen Fakultät mit 9.000 Ärzten und Forschern, hat nicht nur die Wissenschaft eine viel beschworene Exzellenz (18 der 33 Harvard-Nobelpreisträger gehören der medizinischen Fakultät an), auch die Lehre ist traditionell herausragend. An der Medical School hat man als erste einen neuen Weg der Lehre beschritten, der das selbst geleitete Lernen in den Vordergrund rückt und das problemorientierte Lernen in die medizinische Ausbildung gebracht hat. Der Unterricht findet prinzipiell in Blockkursen statt, Evaluation ist ein essentieller Bestandteil, um eine ständige Anpassung an die Lernbedürfnisse zu gewährleisten. Mit diesem Modell wurden inzwischen im Rahmen der Reformstudiengänge auch in Deutschland positive Erfahrungen gemacht (DÄ 2003; 100: A 686-689 Heft 11). Jeder immatrikulierte Student der Med School wird einer der vier Gesellschaften zugeordnet: Cannon, Castle, Holmes oder Peabody Society, in denen das akademische wie soziale Leben organisiert wird. Die 13 selbständigen privaten Lehrkrankenhäuser sind der Medical School assoziiert, jedoch auch als „teaching affiliates“ unabhängig von ihr.

Beispielhaft für die klinische Ausbildung steht die neurochirurgische Abteilung am Brigham and Women’s Hospital unter Professor Peter Black. Er leitet gleichzeitig die Abteilung am Children’s Hospital und hat eine sehr empfehlenswerte Einführung in sein Fach herausgegeben, das als Vorbereitung und Begleitung für einen Einsatz auf dem Gebiet sehr empfehlenswert ist. Hier fand ich meinen klinischen Einsatz. Bekannt sind die langen Arbeitszeiten. Die Neurochirurgen fangen morgens um sechs Uhr an und operieren nicht selten bis in die Nacht. Dazu kommen Bereitschaftsdienste jede vierte Nacht. Nicht von ungefähr werden die Ausbildungsassistenten im ersten Jahr „Interns“ genannt. Diese harten Bedingungen sind der Preis für eine systematische Ausbildung der Assistenten: Vom ersten Tag ihrer Residency an steht der Ausbildungsplan der folgenden drei bis fünf Jahre fest, und auch Anfänger werden konsequent in die Operationen mit eingebunden. Unter den Residents, den Ärzten in Weiterbildung, herrscht trotz der harten Arbeitsbedingungen ein gutes Verhältnis zueinander. Mit meiner Betreuerin, einer ehemals professionellen Geigerin, die nun als eine der wenigen Frauen eine Weiterbildung zur Neurochirurgin machte, waren wir am Wochenende durchaus auch mal zusammen tanzen. Das Team funktionierte gut miteinander – Frucht einer exzellenten Leitung.

Boston ist das Eldorado der biomedizinischen Forschungen

Wer die imposante Longwood Avenue entlang geht, der kommt nicht nur an der legendären Harvard Medical School vorbei, sondern auch an seinen berühmten Lehrhospitälern mit ihren Forschungseinrichtungen. Die Welt der Forschung lernte ich im Rahmen meiner medizinischen Doktorarbeit kennen: am Brigham and Women’s Hospital unter Dr. Berthold Struk im Labor von Professor Klaus Lindpaintner, beide weltweit anerkannte Experten für die Genetik komplexer Erkrankungen. Die Internationalität der Longwood Medical Area, so heißt die Gegend um die Harvard Medical School herum, ist sofort auffällig:

Der Chef meiner Arbeitsgruppe, selbst beruflicher Kosmopolit, leitete ein Team, in dem Amerikaner und Chinesen, Italiener und Koreaner, Deutsche und Inder, Spanier und Australier miteinander kooperieren. Diese wird stimuliert durch Exzellenz in der Führung: Harvards Arbeitsgruppenleiter sind durchweg führend auf ihrem Gebiet. Zudem kommen regelmäßig Forscher von Weltrang zu Vorträgen und zum Austausch. Klangvolle Namen sind die Regel: Bei Bagel und Kaffee aus dem Pappbecher trifft man herausragende Köpfe in ganz privatem Rahmen. Im Vergleich zu Deutschland bedeutet forschen hier, optimale Bedingungen mit konstanter Stimulanz zu verbinden.
Für den deutschen Neuankömmling scheint entscheidend, dass selbst ein Student, der seine Ausbildung noch vor sich hat und vieles noch nicht beherrscht, als Mensch ernst genommen und an universitären Entscheidungen beteiligt wird: Von der Auswahl der Bewerber über die Gestaltung der Vorlesungen und Seminare bis hin zur Auswertung der Lehrveranstaltungen. Das gilt auch für die Forschung: Von der Konzeption bis zur Finanzierung hatte ich volle Freiheit und konnte gleichzeitig auf die uneingeschränkte Unterstützung meiner Mentoren, Dr. Berthold Struk und Professor Klaus Lindpaintner, zählen. Bedingungen, die sich in Deutschland selten finden. Grund für die Mühe um die Studenten sind sicher nicht zuletzt die immensen Studiengebühren, die Studenten im Gegensatz zu Deutschland hier zahlen: Im nächsten Jahr werden sie wohl die Schwelle von 40.000 US $ überschreiten – ohne die Kosten für Unterkunft, Verpflegung und Freizeit dazu zu zählen. Um diese aufbringen zu können, werden wesentlich mehr Studenten durch ein funktioniertes Stipendiensystem und subventionierte Darlehen gefördert, als dies in Deutschland üblich ist. Die Studiengebühren, die noch nicht einmal zu den Spitzenreitern im amerikanischen Vergleich zählen, machen jedoch nur ein Teil von Harvards Reichtum aus: Die Universität verfügt über ein Stiftungsvermögen, das sich aus 8.600 Einzelstiftungen zusammensetzt und sich auf 19,3 Milliarden US $ beläuft. Einen weiteren Anteil haben die rund 270.000 Alumni, die Ehemaligen, die ständig zum Fundraising beitragen. Neben diesen Rücklagen macht die konsequente Vermarktung des Namens Harvard – von der Baseballmütze bis zur Schreibtischlampe – die Uni zu einer der reichsten des Landes. So werden optimale Bedingungen ermöglicht: In Harvards Bibliotheken, zugänglich allerdings nur für Universitätsmitglieder, warten fünfzehn Millionen Bücher auf zahlreiche Wissensdurstige.

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